Utah´s Canyonlandschaft
- von Johannes Fürst
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- 04 Dez., 2019
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Lagerfeuer, Offroading und neue Freunde

Nachdem wir im Juli ein
schweizer Pärchen (The Roadhitters)
in British Columbia kennen
gelernt hatten, wollten wir uns mit den beiden nun endlich in Moab,
Utah treffen. Von unserer Seite wurde dies des öfteren verschoben,
da wir uns vor allem länger auf dem Bauernhof aufhielten als geplant
und unsere Reisepläne immer wieder nach hinten verschoben wurden.
Dieses Mal sollte es klappen. Zwischen Yellowstone und Moab
verbrachten wir einen Nacht in einem Motel, da unsere
Schlafplatzsuche durch einen LKW-Unfall auf einer Bergstraße
verzögert wurde. Wir waren zwei Stunden im Stau gestanden und nach
den letzten äußerst kalten Nächten sehnten wir uns nach einer
heißen Dusche und einem warmen Bett. Frisch und munter brachen wir
am nächsten Tag auf nach Moab. Eines DER Ziele für
Offroadbegeisterte aus aller Welt. Ob mit dem modifizierten
Allradfahrzeug, Buggy, ATV oder dem Mountainbike, alle zieht es in
die Canyon-Landschaft nach Utah. Natürlich auch uns. Freunde aus
Alberta und ganz Kanada versicherten uns, wir würden diese Gegend
lieben!
Angekommen in Moab, einer Kleinstadt mit unzähligen Leihgeschäften und Touranbietern für alles was Reifen hat, mussten unsere Vorräte aufgestockt werden. Ein seit gestern auftretendes Schlagen an der Vorderachse wurde immer stärker und ich konnte am Straßenrand die Ursache einfach nicht finden. Eine Werkstatt mit Hebebühne aufzusuchen und dort dem Geräusch auf die Spur zu gehen war unser Plan B. In Moab gab es dutzende und wir suchten uns die mit bester Bewertung im Internet aus. Leider verwies diese uns an eine Andere aus Mangel an Zeit. Nach drei verschiedenen Werkstätten, die ich um einen Wagenheber fragte, bekam ich einige Tipps von Tina (um es nett auszudrücken). Sie hatte Recht: Keine Werkstatt würde mir irgendwelches Werkzeug borgen, wenn dann müsste ich Sie bitten dem Geräusch auf den Grund zu gehen, wie jeder andere Kunde auch. An der vierten Werkstatt bekam ich einen Termin am selben Tag um 16 Uhr. Genügend Zeit um alle anderen Erledigungen zu tätigen. Wieder an der Werkstatt musste ich der Angestellten im Büro etwa 15 Minuten lang erklären, wann, wie, wo und warum das Geräusch auftritt um es dem Mechaniker dann nochmal zu erklären. Dieser nahm unseren Wagen mit auf eine Probefahrt und suchte mit Taschenlampe danach an der Vorderachse auf und ab. Auf meine Frage ob er was gefunden hätte, meinte er: „Es sei ein altes schwer beladenes Fahrzeug bei dem diese Geräusche mehr oder weniger normal seien. Der Rahmen könne sich verwinden und dabei wäre solch ein Klopfen zu hören.“ Er konnte nichts finden und schickte uns mit der Versicherung vom Hof, das Fahrzeug wäre sicher zu fahren. 55 US$ leichter und drei Stunden später verließen wir wieder die Stadt um einen Campingplatz nördlich gelegen anzusteuern, den die Schweizer schon bezogen hatten. Selbst in der Dämmerung war es leicht den Landcruiser der Schweizer zu erspähen und wir parkten uns daneben. Für mich war die Freude über das Wiedersehen von kurzer Dauer, da ich mich von Kopfschmerzen geplagt bald ins Bett verzog.
Wir wollten am nächsten
Tag den Schafer Trail gemeinsam fahren. Dieser führt über einen,
ich würde sagen schlechten Schotterweg im Tal eines Canyon, vorbei
an Salzseen und am Ende über sehr steile Serpentinen hinauf auf das
Dead-Horse-Point-Aussichts-Plateau, Wir waren alle guter Dinge und
hielten nach Lust und Laune an Aussichtspunkten an, knipsten Fotos
und nahmen Videos auf. Ich packte bei einem dieser Stopps meine
Drohne aus, da diese Landschaft einfach nur nach Aufnahmen aus der
Vogelperspektive schreit. Keine 10 Sekunden in der Luft, stürzte die
Drohne ab. Ich hatte noch versucht in die Richtung zu laufen um sie
eventuell zu fangen, doch vergebens. Im Taumelflug ging es
kerzengerade nach unten. Vom Boden konnte ich nur noch das Wrack
aufheben. Gimbal, Kamera und einige andere Teile waren abgebrochen
oder verbogen. So schnell kann es gehen. Etwas traurig war ich schon.
Vor allem über die nicht vorhandenen Aufnahmen. Beide Fahrzeuge
meisterten die Strecke ohne Probleme und wir fanden einen
Campingplatz außerhalb des Canyonland National Parks. Immer weiter
führte der Feldweg hinein in die Schluchtenlandschaft. Dann
erreichten wir eine Stelle die eine große Fläche auf einer Erhöhung
mit Ausblick auf ein großes Tal bot, errichteten unser Nachtlager
und sammelten Holz für ein gemeinsames Lagerfeuer.
Wir saßen bis in die späten Abendstunden und erzählten viele Geschichten aus früheren Reisen. So gingen die Themen von Australien, Mongolei, naher Osten über Marokko und schließlich über Alaska und Kanada. Abendfüllende Gespräche. Wir tauschten uns rege über sinnvolle und weniger sinnvolle Ausstattungsgegenstände und Organisatorisches aus. So ging es die nächsten vier Abende. Die Tage nutzte ich, um nach unserem bisher ungeklärten Geräusch an der Vorderachse zu suchen. Nach wenigen Augenblicken war die Ursache erkannt: eine locker gewordene Schraube des linken Tragarmes. Diese hatte ich nach unseren Erfahrungen in Slowenien (Verlust einer Schraube vom Bremssattel) vorsichtshalber dabei und konnte sie tauschen. Mit Schraubensicherung und aller vorhandener Muskelkraft wurde diese festgezogen und hielt bis jetzt unter Anderem auch dem Fins and Things Trail stand, den wir einige Tage später durchfahren würden.
Der 3. November 2019 – mein Geburtstag. Ich wurde mit selbstgemachten Pfannkuchen und schweizer Vollkornbrot aus den Federn gelockt. Nach der Beantwortung aller Glückwünsche – vielen Dank nochmals an dieser Stelle – machten sich Tina und ich auf, um die Gegend und das Tal unterhalb unseres Campingplatzes zu erkunden. Wir verbrachten den Tag bei Sonnenschein im Expeditionsmodus und bestaunten so einige Felsformationen und Canyons am Rande des Canyonland National Parks. Am frühen Abend erreichten wir mit vielen neuen Eindrücken im Gepäck unser Nachtlager und teilten unsere Erlebnisse abermals am Lagerfeuer.
Nach einigen erholsamen Tagen beschlossen wir den Platz zu verlassen und weitere Gebiete um Moab, Utah zu bereisen. Den ersten Stopp legten wir am Dead Horse Point ein und konnten von den Aussichtsplattformen den zuvor befahrenen Schafer-Trail, die Salzbecken und Serpentinen von oben betrachten. Welch eine gigantische Aussicht auf die Canyons und den Colorado River. Von dort aus fuhren wir den Chemini Bridges Trail als Abkürzung zurück nach Moab. Unsere Vorräte waren zur Neige gegangen und wir planten die nächste Nacht auf den Sand Flat´s zu verbringen. Von dieser Hocheben starten der Hells Revenge- und Finns and Things – Trail, einen davon planten wir am darauffolgenden Tag zu bezwingen. Nach stundenlanger Recherche und den Tipps von Freunden aus Kanada beschlossen wir erst einmal den zweiteren zu fahren, da dieser etwas leichter ist und an einem kurzen Teilbereich, getrennt durch eine Zubringestraße vom anderen Teil des Trails, unsere Fähigkeiten getestet werden konnten.
Mit etwas flauem Magen ging es nach dem Frühstück zum Trailhead. In der Nähe schlossen wir unsere Fahrräder an einen Baum um unnötigen Ballast loszuwerden. Die Einfahrt war noch mit einem normalen Pkw zu meistern, doch bald danach verschärften sich die Steigungen an den „Slickrocks“ (rund geschliffene Felsformationen, Hügel). Das erste Hindernis lies nicht lange auf sich warten und forderte Tinas volle Konzentration. Es dauerte etwas, bis ich mich überhaupt entschloss Tina den steilen Hang mit Stufe (ca. 40cm hoch) hinunter zu lotsen. Mein Blutdruck war leicht erhöht. Das war der Moment an dem ich wohl aufgeregter war, als Tina im Auto, da sie absolut nicht sehen konnte, wo sie hinunter fahren sollte. Vielleicht auch besser so... Im Schneckentempo rollte unser „Panzer“ den Fels hinunter. Meine Stimme wurde umso lauter, je näher die Vorderreifen der Stufe kamen. Flopp!!! Mit quietschenden Reifen schob sich das erste Paar über die Kante und schlug auf der Steinstufe auf. Und dann das zweite Paar. Lediglich der Spritzschutz berührte den Untergrund und unser Fahrzeug fuhr auf der Anhängerkupplung schleifend wieder in die waagerechte. Bis auf den steilen felsigen Anstieg am Ende des ersten Viertels meisterte Tina alle Hindernisse mit Bravour. Wir waren wieder auf der Sand Flats Schotterpiste. Insgeheim hatte ich gehofft meiner tapferen Fahrerin würde der Adrenalin-Kick ausreichen und das Thema „Offroading“ wäre beendet, doch Sie wollte weiter. Ohne mir die Zweifel anmerken zu lassen willigte ich ein und wir fuhren das kurze Stück bis der zweite und längere Teil des Trails linker Hand startete. Etwa vier Stellen verlangten einige Minuten Bedenkzeit um die richtige Spur zu ermitteln und einmal mehr volle Konzentration vom Fahrer. Auch zurücksetzten ließe sich an einer Stelle nicht vermeiden. Mit vielen verschiedenen Handzeichen kämpften wir uns durch alle Hindernisse und erreichten die erste Abkürzungsmöglichkeit. Hier entspannten wir bei einer kurzen Pause und beratschlagten über den weiteren Weg. Meine Motivation ließ zu wünschen übrig, da ich zu diesem Zeitpunkt schon etwa 5km gelaufen war. Doch Tina wollte weiter.... Ihr Trail, Ihre Entscheidung, also fügte ich mich und lief tapfer vor dem Auto her und suchte stetig nach der besten Route. Es zahlte sich aus, denn wir konnten auf einem Felsen eine tolle Aussicht über den zurückgelegten Weg und die „Salt Flats“ genießen. Am Ende waren es ca. 8km, ein unbeschädigtes Fahrzeug und eine überglückliche Lenkerin!!! Ich bin stolz auf Sie! Wir befüllten die Reifen wieder auf den normalen Druck und suchten uns einen geeigneten Platz im Norden von Moab, wo wir auch schon die erste Nacht verbracht hatten. Mit guter Internetverbindung nutzte ich die nächsten drei Tage um Website, Videos und dergleichen zu erstellen und zu bearbeiten. Tina unternahm einige Radeltouren mit Kara um diese weiterhin zu bespaßen. Auch „The Roadhitters“ gesellten sich wieder zu uns auf den Campingplatz und wir genossen abermals Ihre Gesellschaft mit vielen weiteren Stunden am Lagerfeuer.
Unsere Reiseplanungen verschoben wir von Tag zu Tag. Der Moment war einfach zu perfekt und die Entspannung die sich breit machte, da wir nicht jeden Tag umzogen, machte es immer schwerer wieder loszukommen. Am Montag saßen wir Stunden über Karten, Wetterberichten und Sehenswürdigkeiten und planten einige mögliche Routen und Optionen. Der Plan: 3500km über Salt Lake City, San Francisco, Death Valley und Grand Canyon nach Mexiko war entstanden. Ein straffer Plan für ca. drei Wochen. Aber falls wir diese Strecke angenehm bewältigen könnten, wäre die Idee, von Halifax und nach weiteren 10000km bis Mitte Januar zu verschiffen, möglich. Wir verabschiedeten uns noch am selben Abend von unseren neu gewonnen Freunden und brachen sehr früh am nächsten Morgen auf.
Unbekannte Gegenden, neue Bekanntschaften und Abenteuer warten auf uns!
Link: The Roadhitters

Verabschiedung, wieder einmal, von lieb gewonnenen Menschen die wir vor zwei Tagen noch gar nicht kannten... Das ist eines der Dinge, die es beim Reisen auszuhalten gilt. Neue Freundschaften schließen, sich zusammen gesellen und wieder getrennte Wege gehen. Meist mit der Gewissheit sich für Jahre oder gar ein Leben lang nicht mehr wieder zu sehen... Ich zumindest scheine mich daran nicht zu gewöhnen und versuche diese Momente zu meiden.
Wir fahren also drei Stunden Richtung Norden. Das war so gar nicht unser Plan. Aber dort lebt nun mal Sohn und Schwiegertochter des gerade verabschiedeten Paares auf einer größeren Cattle Ranch. Und die wollen wir natürlich auch noch sehen vor allem sah sich Tina schon gedanklich auf einem Pferd in die Steppe reiten. Schnell noch einmal umdrehen und die Büffelherde fotografiert. Dann endlich erreichen wir die Kreuzung, die uns empfohlen wurde um einen Stopp einzulegen. Denn in der Nähe soll es einen Amish – Supermarkt geben. Dort füllten wir unsere Essensvorräte auf und gönnten uns ein Sourdough – Sandwich. Beide hatten wir eigentlich etwas anderes erwartet, stattdessen bissen unsere Kauleisten in eher weiches, goldgelb gefärbtes Kastenweißbrot... „Sauerteig“ war das definitiv nicht. Neben Käse- und Wurstprodukten gab es auch exotisches, wie dehydrierte Gemüsechips aus Okraschoten. Da musste natürlich eine Packung den Besitzer wechseln und ich gebe zu: sehr lecker! Tina kann das nicht bestätigen, aber die hatte ich ja auch für mich gekauft.
Am frühen Nachmittag erreichten wir die Ranch und wurden per SMS über die Sichtung unseres Autos informiert. Der Hausherr meinte wir sollen uns wie zu Hause fühlen, er wäre gleich zurück vom Feld. Wenig später fuhr dieser mit Pickup und passend großem Viehanhänger ein. Begrüßte uns recht herzlich und entlud zwei Kühe und ein Pferd aus dem Hänger. Ohne Zeit zu verschwenden ging es für Tina gleich auf das eben entladene Pferd, ein zweites wurde gesattelt und ich war froh für dieses Mal ein Side – by – Side (auch ATV, ähnlich einem Quad, meißt aber mit Fahrerkabine und mehreren Sitzplätzen) nutzen zu dürfen. Wir drei drehten eine Runde über die nahe gelegenen Weiden und begutachteten die grasende Rinderherde.
Wir wurden zu Kaffee und kleinen Snacks ins Haus gebeten und auch sofort mit Bier bedient. Kurz darauf kam auch die Frau des Hauses zurück vom Zahnarzttermin und schloss sich der Trinkrunde mit einem Glas Vodka - Tonic an. Etwas erstaunt öffnete ich meine zweite Dose Bier. Ein Auto war zu hören, die Tür öffnete sich und herein kam der erste Cowboy. Ein Mann im Rentenalter, Schnauzer und Hut gesellte sich nun auch zu unserer Runde. Er ließ sich auf einem der alten Holzstühle, die um den Küchentisch standen, nieder. Ohne zu zögern griff er zur Whisky – Flasche und schenkte sich gekonnt ein paar gute Tropfen ein. Um den Vorgang nicht allzu oft wiederholen zu müssen wurde das Glas fasst halbvoll gefüllt. Scherze und Floskeln über gestern und heute wechselten durch den Raum und einige lustige Geschichten wurden uns erzählt. Ich öffnete mein drittes Bier. Tina stieg nun auch auf Whisky um. Da öffnete sich erneut die Tür und ein weiterer Cowboy schritt herein. Er begrüßte alle und lieferte sich sogleich ein kleines verbales Hin und Her mit dem alten Herrn. Man kennt sich scheinbar, und das auch nicht erst seit Gestern. Der zweite Cowboy: Groß und schlank, jedoch mit einem kleinen „Wohlstandsranzen“, setzte er sich gekonnt auf einen der Barhocker. Lässig baumelte ein Bein, während das andere abgestützt wurde. Mit Drei-Tage-Bart, großflächiger Pilotenbrille nach Vorlage aus den 1960´er Jahren und einem weißen Hut zog er beim Reden einen seiner Mundwinkel sehr weit nach hinten und kaute auf einem Zahnstocher herum. Eine Erscheinung.
Es wurde ebenfalls ein Whiskyglas befüllt und dem Neuankömmling gereicht. Die Beilagen für das Abendessen wurden während dessen bereitet und waren bald fertig zum verspeisen. Der Hausherr verließ ab und zu das Geschehen um sich mit dem vorgeheizten Grill auf der Veranda zu beschäftigen. Es wurde lange diskutiert, wer von den Gästen (von uns abgesehen) zum Abendessen bleiben würde und wer nicht... Es wurde weiter gescherzt und gelacht bis kurz vor dem Servieren der Speisen der ältere der beiden Cowboys sich von seinem Stuhl erhob und das Geschehen verließ. Ich darf vorwegnehmen: Er schaute auch am nächsten Tag wieder in der Küche vorbei. Es wurden mittlerweile die Steaks aufgeteilt und gegessen. Die Köchin selbst hat auf das Abendmahl verzichtet und so scherzte man am Tisch über die Zutaten die sie dem Essen beigemischt haben könnte. Während dessen ließ man es nicht zu, dass eine Kehle auf dem trockenen sitzt und man wurde stets mit gekühltem Bier und Eiswürfel für die Whiskytrinker versorgt. Auch wenn ich gerade eine neue Dose geöffnet hatte und gerade mal ein paar Schluck genommen habe, stand schon die nächste bereit. Zusätzlich wurde auch noch getestet ob die Nachschubdose noch kalt genug sei und gegebenenfalls mit einer Frischen ausgetauscht. So wurde weiter gescherzt und gelacht. Es ging wieder ein Mal um Gott und die Welt, wie man so schön sagt. Die Flaschen leerten sich, es wurden neue auf den Tisch gestellt. Keiner musste verdursten. Die Gemüter wurden mit sinkendem Flascheninhalt zunehmend fröhlicher.
Tina hatte sich zeitweise zu den drei Hunden auf den Boden in Küche und angrenzendem Wohnzimmer gesellt. Die Hunde hatten sich sichtlich über Gesellschaft gefreut. Als Sie sich wieder auf Augenhöhe mit der Runde begab, traute ich meinen Augen nicht als ich das künstliche Fell, gespickt von Krümeln und sonstigem Dreck von Oben bis unten an Ihr sah. Scheinbar hatte die schwarzen Fasern ihrer Kleidung und der Bodenbelag geradezu auf eine Verbindung miteinander gewartet. Es gab keine Möglichkeit, diesen Zustand wieder rückgängig zu machen, ohnehin hatte es außer mir weder jemand entdeckt noch hatte es jemanden gestört. Die Wahrnehmung wurde zunehmend verklärter als sich die Schnapsflaschen weiter leerten. Eiswürfel wurden mittlerweile aus den Reserven in der Gefriertruhe entnommen, da die Eiswürfelmaschine den enormen Bedarf nicht mehr decken konnte.
Fuck, Fuck, Fuck... Ein Wort, das man sicherlich in der Öffentlichkeit nicht zu oft hört. Hier in der Küche dafür umso öfter. Es hätte auch Pulp Fiction in Dauerschleife sein können, das hätte die Fuck – Frequenz bestenfalls noch gesenkt. Ich wurde nämlich von Tina des öfteren ermahnt, wenn ich das Wort denn verwendete. So meinte Sie, die Amerikaner fänden es nicht sehr angebracht. Wir wurden eines besseren belehrt und es wurde nach Lust und Laune mit allen möglichn Ausdrücken um sich geworfen. Ab 23.00 Uhr wurden Wetten entgegengenommen, wie präzise der Wetterbericht denn sei. Es wurde ab Mitternacht Schnee und ein Temperatursturz vorausgesagt. Von +12 Grad sollte es in die Minusgrade gehen. Wir wurden nicht entäuscht. Es gab keine Gewinner und keine Verlierer bei dieser Wette, lediglich die eingetretene Prophezeiung mit einem weiteren Glas Whisky begossen.
Zunehmend setzten Sprachfehler ein, gerade bei den weiblichen Teilnehmerinnen. Ich versuchte meine Dose Bier möglichst lange warm zu halten, bis ich eine neue aufmachen musste. Der Gastgeber war mittlerweile verschwunden und tauchte nicht mehr auf. Ich entschloss mich, nach dem halben Bier zu verabschieden, es war bereits 00:30 Uhr und die Gespräche wurden zeitweise sehr unverständlich, da entweder die Muskulatur nicht mehr in der Lage war die Befehle vom Gehirn in verständliche Laute zu verwandeln, oder aber das Gehirn selbst schon Fehler beim Ansteuern der jeweiligen Nerven machte. Sowohl als auch musste ich leider feststellen, das die Runde von einer lustigen und spitzfindigen Unterhaltung zu einem unverständlichem Gebrabbel auf Kindergartenniveau, sowohl inhaltlich als auch akustisch, geworden ist. Noch einmal holte der letzte Cowboy zu einer Geschichte aus... Es wurden einige Umwege genommen bis die Erzählung dann endlich zum anfangs erwähnten Ende kommen würde. Pointen sehen anders aus! Danach nutzte ich die kurze Gedenkpause der Anwesenden und verabschiedete mich ins Bett. Es war 1.30 Uhr. Gute Nacht.
Meine Befürchtung, dass es bei uns etwas länger dauern würde, wurde natürlich erfüllt.
Wie schon an den Grenzübertritten nach und von Alaska wurden unser Auto und wir von ca. 20 Kameras und Sensoren während dem Durchfahren gefilmt und gefilzt. Der Grenzbeamte war aber sehr nett und beantwortete all unsere Fragen. Um das I94 Dokument in den Reisepass zu bekommen, muss man sich im Bürogebäude melden und auch einen kleinen Betrag bezahlen. Nach einer kurzen Wartezeit hatte sich ein Beamter aus der amüsierten Diskussionsrunde mit seinen Kollegen gelöst und bat uns an den Schalter. Unsere Fingerabdrücke wurden genommen und wir durften beide einmal in die Kamera lächeln. Auf die Frage wie viel Geld wir hätten, antwortete ich mit der Antwort: 700$ Cash. Die Gesichtszüge des Beamten veränderten sich von freundlich zu entsetzt. Tina klärte mich auf, dass sich die Frage nicht nur auf unser Bargeld beziehe, sondern vielmehr auch auf unser Bankguthaben. Als wir die durchaus akzeptable Summe auf unserem kanadischen Konto erwähnten, brachte erst der Hinweis auf noch mehr Geldreserven in Deutschland Erleichterung beim Beamten.In der Zwischenzeit durchleuchtete ein zweiter Grenzkontrolleur unseren Fahrzeuginnenraum. Tomaten und Zitronen wurden aussortiert. Das Feuerholz durften wir Dank der Verpackung behalten und die Kühlbox wurde mit dem sichtbaren Biervorrat auch durchgewunken. Das I94 Visum wurde in die Pässe geheftet und wir konnten in die USA einreisen.Durch die nächtliche Stadt Sumas ging es mit ein paar Umwegen dann doch noch zu unserer Unterkunft. Einmal mehr haben wir unser Auto mit Mausefalle und Duftstoffen versehen um eine erholsame Nacht in einem normalen Bett zu verbringen.Für den Samstag haben wir
uns vorgenommen amerikanische Handyverträge abzuschließen und sind
deshalb nach Belingham gefahren.
Bei den drei größten
Anbieter AT&T, Verizon und T-mobile wollten wir vorstellig
werden.
Verizon hatte leider keine
Prepaid Angebote die auch Mexiko und Kanada einschließen, somit
wurden wir von einem Sonderangebot von T-mobile überzeugt und haben
nun jeweils einen Prepaid Vertrag der in ganz Nordamerika nutzbar
ist.
Leider hatte für unser
Tablet die SIM – Karten von T-mobile nicht funktioniert, so haben
wir kurzum einen Datentarif von AT&T genommen und sind somit
hoffentlich gut gewappnet für die Weiterreise und stets mit der
Außenwelt verbunden. An die amerikanischen
Umgangsformen muss man sich auch erst einmal gewöhnen. Zum einen wird
dein Vorname ständig wiederholt und gefühlt besteht jeder Satz aus
50% eigenem Vornamen, zum anderen ist alles was man sagt, wunderbar
aufregend und „soooooo exciting“. Wenn ich unsere Situation
erklärt hatte und erwähnte aus Deutschland zu kommen, beteuerte
jeder Berater wie gerne er doch nach Deutschland reisen möchte, es
aber leider noch nicht geklappt hat. Auch eine ausführliche
Begrüßung und die Frage nach der Befindlichkeit wird allem voran
gestellt. Manchmal nervt´s!
Auf der Rückfahrt zu unserer Unterkunft ging es mir zunehmend schlechter und wir beschlossen unsere Weiterreise auf den Montag zu vertagen um einen entspannten Sonntag zu verbringen und meinem Magen etwas Entspannung zu gönnen. Joel, dem Sohn unseres Arbeitgebers in British Columbia, konnten wir die Einladung zum sonntäglichen Footballvergnügen vor dem Fernseher mit Nachos und Bier nicht ausschlagen. So wurde der Nachmittag ziemlich lange, bis wir wieder zurück in unserem Appartment waren. Das Footballspiel wurde nur noch am Rande beobachtet und vielmehr in Gespräche über Religion, Politik, Waffen und natürlich Trump vertieft. An dieser Stelle muss ich zugeben, umso mehr man Gespräche mit Amerikanern führt, umso mehr versteht man, warum dieses Land solch einen Präsidenten gewählt hat. Es gibt allerlei Gründe dafür, die durchaus verständlich sind.
Wir legten uns am frühen Abend ins Bett und nutzten Ihn, wie soll es anders sein, für den aktuellen Tatort.Nach einer erholsamen Nacht, packten wir die letzten Sachen in unser Auto, zurrten die Fahrräder wieder auf das Dachzelt und machten uns auf den Weg zum Büro von Joel, welches nur ein paar Hundert Meter entfernt lag, um herauszufinden das er in der Hauptniederlassung der Firma war. Diese ist etwa 20 Meilen weiter. Beim Wenden ist mir aufgefallen, das es auf dem Firmengelände eine LKW-Waage gibt und wir konnten unser Auto in vollem Rüstzeug wiegen. Bis dahin, ahnten wir nur, wie schwer wir vollbeladen und betankt sind. Jetzt hatte das ganze Hand und Fuß: ohne meine Wenigkeit und befülltem Wassertank sind es 8080 Pfund – etwa 3665kg, ganz schön schwer...
Den Hausschlüssel hatten wir abgegeben, noch ein paar Ratschläge für unsere weitere Reise eingeholt und uns spontan entschieden nicht mehr nach Westen an die Küste zu fahren. Das Wetter hatte uns seit dem Grenzübertritt mit drei Tagen Regen begossen und die Aussichten für Seattle und die Westküste des Bundesstaates waren keineswegs berauschend.
So verließen wir die Stadt Linden wieder Richtung Sumas und bahnten unseren Weg durch hunderte von Beerenplantagen in Richtung Osten. Washington ist die Nummer eins unter den Produzenten für Himbeeren, Hopfen und Süßkirschen in den USA. Wir sind an Blaubeer-, Himbeer-, Erdbeer- und Apfelplantagen vorbei gefahren. Das Wetter ließ uns aber keinen Blick auf Mt. Baker zu, nach Mt. Rainier der am stärksten mit Gletschern bedeckte Vulkan in dem Kaskadengebirge. Durch einen märchenhaften Wald mit moosbehangenen Bäumen und verschiedensten Farnen schlängelte sich die Straße immer weiter hinein in das Gebirge. Vorbei am Diablo Dam, einem Staudamm mit angeschlossenem Kraftwerk, erreichten wir den Rainy Pass auf 1479m. Den Namen gab er bei unserer Überquerung alle Ehre: Es regnete, bzw. schneite ab 1200m ununterbrochen. Dies ist wohl den Namensgebern auch im Gedächtnis geblieben... Den Pass, zum Glück auch den Regen hinter uns verließen wir allmählich das Gebirge und fuhren in ein breiteres Tal ein bis wir die kleine Stadt Winthrop erreichten. Wir wurden von einer authentischen Westernstadt mit überdachten Holzstegen entlang der bunt bemalten Fassaden von Geschäften, Restaurants, Imbissbuden und Souvenierläden überrascht. Das einzige, was dem Gefühl in ein anderes Jahrhundert abzutauchen trübte, waren die geparkten Autos und Pick up´s vor den Geschäften. Es passte einfach nicht – diese „Moderne“. Mittlerweile war es schon am frühen Nachmittag und unsere Mägen knurrten. So suchten wir das Restaurant mit dem ulkigsten Namen der Stadt und wurden fündig: Three Fingered Jack´s Saloon. Auf einer schwarz-weiß-karierten Tischdecke, Senf, Ketchup sowie Tabasco griffbereit, ließen wir uns die Burger schmecken.
Auf den Hügeln und Plateaus des auslaufenden Gebirges vermehrten sich die angelegten Felder, die Ausmaße erreichten, die wir aus Deutschland nicht gewohnt sind. So wurde es zunehmend schwieriger einen geeigneten Platz für das Nachtlager zu finden. Die App iOverlander zeigte für das Gebiet auch nicht viele Optionen. Tina fand aber einen geeigneten Parkplatz an einem See den wir über eine Schotterpiste erst bei Nacht erreichten. Die Landschaft konnten wir in der Dunkelheit nur erahnen und waren umso mehr auf den nächsten Morgen gespannt.
Dieser sollte uns nicht enttäuschen. Das Seeufer von Banks Lake war nur einige Schritte vom Auto entfernt und über der Landschaft bot sich ein wunderbarer Sonnenaufgang. Wir erklommen einen der Berge am Ufer des Stausees, steil hinauf über Geröll und genossen die Aussicht. Weiter ging unsere Fahrt über immer größer erscheinende Felder und nach Stunden durch die Großstadt Spokane. Kurz danach erreichten wir die Grenze zu Idaho. Da ich von Freunden erfuhr, dass das Land Cruiser Heritage Museum in Salt Lake City vom 27. Oktober für einige Wochen schließt, versuchten wir möglichst schnell nach Red Lodge, Montana, zu kommen um Bekannte auf deren Farm zu besuchen. Die Nachtplatzsuche gestaltete sich an diesem Nachmittag und Abend abermals schwierig und wir zahlten schlussendlich für einen Campingplatz in Missoula, Montana. Einige Tage später sollten wir feststellen, dass wir genau auf diesem Campingplatz etwas wichtiges vergessen hatten... Um genauer zu sagen ICH hatte einen wichtigen Gebrauchsgegenstand am Waschbecken liegen gelassen. Es war weder die Seife noch die Zahnbürste, sehr viel wichtiger!
Am späten Mittwoch Nachmittag erreichten wir Red Lodge an den nördlichen Grenzen des Yellowstone Nationalparks. Wir trafen unsere Herbergsleute an einer Tankstelle und folgten Ihnen auf den Bauernhof.
Mit einem, ich würde sagen klassischem Abendessen, wurden wir verwöhnt. Es gab 2cm dicke Rindersteaks, die dem Hausherren immer noch zu dünn waren, Kartoffeln, Kürbisgemüse und Spargel - Einfach aber sehr schmackhaft. Wir ließen den Abend bei mexikanischem Bier und angeregter Unterhaltung ausklingen, so konnten wir abermals einen tieferen Einblick über das Leben speziell in Red Lodge, Montana erfahren. Die Stadt hatte in der Vergangenheit eine Vielzahl von Kohlemienen die seit den 1890´er Jahren betrieben wurden. Traurige Berühmtheit erlangte die kleine Stadt als 1943 eine Explosion 74 Männern das Leben kostete.
Am nächsten Morgen bekamen wir eine kleine Tour über die Weiden und einen Eindruck wie leicht es doch ist, mit gut trainierten Border Collies Kühe zu treiben. Dieses Zusammenspiel von Mensch und Hund ist eine wunderbare Sache zu beobachten und hatte ich so noch nie selbst gesehen. Bevor wir gemeinsam in die Stadt fahren wollten, gab Tina noch eine Tour um und durch unseren Fahrzeugausbau, um mich ganz beiläufig zu fragen, wo denn eigentlich die Espressokanne abgeblieben sei.... Tja, was soll ich sagen? Das war wohl der Gebrauchsgegenstand, der auf dem Campingplatz liegen geblieben ist. Zum Mittagessen fanden wir uns in einem der zahlreichen Restaurants in der Einkaufsmeile von Red Lodge wieder und besichtigten einen Süßwarenladen der Extraklasse. Die Wände waren bestückt mit allerlei alter Metallschilder, antiker Tankstellenpumpen und Relikte aus vergangener Zeit. Zwischen all dem Krempel wurden hunderte verschiedene Süßigkeiten, Bonbon´s und Schokoladen angeboten. Eine wahres Erlebnis, auch ohne einen Kauf getätigt zu haben. Ein kleines Happyend darf ich zum Schluss noch verraten: In der örtlichen Kaffeerösterei konnten wir eine neue Espressokanne erstehen - somit war die Welt wieder in Ordnung.......

Was ein Schei......
Wir also wieder weiter auf geplanter Route und mit zunehmender Dunkelheit, nur noch nach einem geeigneten Nachtplatz Ausschau gehalten. Der schnell erreichte Provincial Park war noch geöffnet, die Stellplätze aber nicht vom Schnee befreit. Auf der Weiterfahrt haben wir aber relativ schnell einen geeigneten Platz gefunden, direkt an einem Fluss mit schöner Aussicht. Den oder die Besitzer eines geparkter Pick up und einem Zelt konnten wir bei unserer Ankunft nicht finden.
Nachdem wir unser Zelt aufgestellt hatten und wir ein Bier bzw. Glühwein genossen, erspähten wir eine Person die in voller Camouflage-Montur inklusive Rucksack und Gesichtsmaske einen Weg über den Fluss suchte. Bewaffnet mit einem Bogen schaute die Person des öfteren in unsere Richtung und ich versuchte durch Winken unsere freundliche Absichten klar zu machen. Man weiß ja nie.... Aber meine Gesten wurden nicht erwidert und die Person watete über den Fluss, hoch über die Böschung zum Zeltplatz. Er, mittlerweile als Mann identifiziert, zog sich um und verstaute seine Ausrüstung in Zelt und Pick up. Auch Blickkontakte in der Dämmerung verhalfen uns nicht das Eis zu brechen...
Wie es weiter geht, gibt’s im nächsten Beitrag.